"Wer dem folgt, was die weise Natur uns lehrt, erliegt nicht so leicht dem Irrtum“
Beatriz Padovan
Die Logopädiebehandlungen an der Heilpädagogischen Tagesstätte werden durch die Praxis für Logopädie Julia Sperl aus Bad Windsheim durchgeführt.
Die Padovan-Methode „Neurofunktionelle Reorganisation"
Erklärung
Die „Neurofunktionelle Reorganisation“ verbindet anthroposophische, neurologische und logopädische Erkenntnisse, um die natürliche Entwicklung des Menschen
nachzuvollziehen. Ziel ist das Nervensystem und somit auch das System „Sprache“ neu zu organisieren. Dabei fließen drei Aspekte in das Therapiekonzept ein:
die ganzheitliche Denkweise von Rudolf Steiner
die neurofunktionelle Denkweise nach Temple Fay
die Verbindung mit der Logopädie durch Beatriz Padovan
Rudolf Steiner (1861-1925) war Gründer des anthroposophischen Gedankens (Anthropologie: Die Lehre, Wissenschaft vom Menschen). Sein Vortrag „Gehen, Sprechen
und Denken“ sowie seine Sinneslehre ließen Frau Padovan den menschlichen Körper als eine Einheit sehen. Aktuelle Erkenntnisse aus dem Bereich der Neurowissenschaft zeigen, dass niedrigere Hirnfunktionen, die für die Bewegung zuständig sind, auch die Grundlage für höhere,kognitive (z. B. Denken, Aufmerksamkeit, Lernen) nur dem Menschen eigenen Funktionen darstellen. In diesem Sinne ist auch Steiners Aussage zu verstehen, dass das „Gehen“ Grundlage fürs „Sprechen“ und das „Sprechen“ die Grundlage fürs „Denken“ darstellt.
Geschichte
Der Begriff der neurologischen Organisation wurde von dem amerikanischen Neurochirurgen Temple Fay (1895-1963) geprägt. Auf der Entwicklung unseres
Nervensystems, welches in Hinblick auf seine Entwicklung nach der Geburt noch nicht abgeschlossen ist, beruhen unsere menscheneigenen Fähigkeiten des aufrechten Gangs,
der Gebrauch artikulierter Sprache sowie anderer kognitiver Fähigkeiten. Um Defizite auszugleichen, sollten bei abweichenden Entwicklungsmustern oder Störungen die
Entwicklungsabläufe in ihrer Gesamtheit wiederholt werden. Dies führt zu einer „Neustrukturierung“ des Nervensystems und wird als neurofunktionelle Reorganisation
bezeichnet. Die Pädagogin und Logopädin Beatriz Padovan erkannte die Zusammenhänge und entwickelte in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts ihre Methode in Zusammenarbeit mit Neurologen, Kinderärzten, Kieferorthopäden und Zahnärzten. Die führt in Brasilien mehrere Praxen und leitet mit ihrer Tochter Dr. Sônia Padovan Catenne (Ärztin für Allgemein- und anthroposophische Medizin/ Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie Neuropsychologin) Fortbildungen zu ihrem Therapiekonzept. Der menschliche Körper wird immer als eine Einheit verstanden. So weisen bspw. korrekte Schluckbewegungen und eine gute Körperhaltung enge funktionelle Zusammenhänge auf
Anwendung
In jeder Behandlungseinheit werden Übungen zu allen motorischen Systemen (Körper,Hände, Augen, Mund) in einer bestimmten Reihenfolge durchgeführt, die den natürlichen
Bewegungsabläufen des Menschen entnommen sind und unserem natürlichen Reifungsund Entwicklungsprozess entsprechen. Dabei werden das chronologische Alter und der
Entwicklungsstand des Patienten respektiert und die Übungen an die jeweilige Störung angepasst. Alle Übungen werden mit Versen und Liedern begleitet und rhythmisch
durchgeführt. Rhythmus , Wiederholung und die regelmäßige Durchführung der Übungen stellen ein wichtiges Prinzip für die neurologisches Lernen dar. Das Ziel dabei ist das Nervensystem und darüber einzelne Körpersysteme neu zu organisieren, um den Erwerb und das Erlernen von neuen oder verlorenen Fähigkeiten und Fertigkeiten zu ermöglichen, was wiederum dazu führt, dass Symptome einer entwicklungsbedingten oder erworbenen Störung überwunden werden können.
Das Körperprogramm beinhaltet die natürlichen Bewegungsabläufe, die der Mensch nach der Geburt als motorische Meilensteine durchläuft. Dazu gehören: Strampeln, Rollen,
Kriechen, Robben, Krabbeln, der Bärengang bin hin zum aufrechten Gang. Das Ziel ist eine organisierte Aufrichtung mit einer physiologischen Haltung, bei der sich einerseits die
Körpermuskulatur in Ruhe im Gleichgewicht befindet und andererseits der Körper für jede körperliche Aktivität optimal genutzt werden kann.
Das Hand- und Augenprogramm fördert feinmotorische Fähigkeiten und Fertigkeiten das motorischen Bewegungsapparates der Hände und Augen. Die Augen haben nicht nur eine wichtige Funktion fürs Sehen oder Lesen und Schreiben, sondern auch für unser Gleichgewichtssystem und anderer Funktionssysteme unseres Körpers. Unsere Hände zeichnen sich dadurch aus, dass wir Fertigkeiten mit ihnen ausführen, wie bspw. Schreiben oder ein Instrument spielen, zu denen keine anderer Spezies fähig ist.Essentiell ist dabei auch eine gute Auge-Hand-Koordination, was im Therapiekonzept durchgängig berücksichtigt wird.
Das Mundprogramm bezieht sich auf das komplexe Zusammenspiel zwischen Atmen,Saugen, Kauen und Schlucken. Ziel der Therapie ist es, diese vier vegetativen
Basisfunktionen ins Gleichgewicht zu bringen. Die Qualität und das Zusammenspiel dieser Seite Basisfunktionen bedingen wiederum eine wohlgeformte Artikulation, einen guten
Mundschluss und eine effektive Nasenatmung sowie das Gleichgewicht des gesamten orofacialen Muskeltonus (Muskelspannung im Mundraum) und unterstützen eine gute
Zahnstellung. Die Übungen zu diesen vier Basisfunktionen entsprechen immer den natürlichen Bewegungsabläufen unseres Atem-, Kau- und Schluckapparates. Bei
Dysgnathien (Zusammenfassung von Fehlentwicklungen der Zähne, der Kiefer und/oder des Kausystems), wie bspw. bei einer Progenie (Unterbiss), bei einem Distal- (Rückbiss)
oder Kreuzbiss werden die Übungen entsprechend adaptiert (angepasst). Dadurch stellt die Padovan-Methode eine optimale Ergänzung zu einer kieferorthopädischen Behandlung dar, wenn darüber hinaus eine myofunktionelle (muskelfunktions) Therapie indiziert (angezeigt) ist. Zusätzlich beinhaltet das Mundprogramm gezielte Übungen zur Lautanbahnung