Digitale Barrierefreiheit

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Beim Stichwort „Barrierefreiheit“ denken die meisten zunächst an zunächst Aufzüge, rollstuhlgerechte Räumlichkeiten oder Ampeln mit akustischem Signal. Aber Barrierefreiheit betrifft alle Bereiche des Lebens auch die digitale Welt.

Auch bei der Lebenshilfe Neustadt an der Aisch – Bad Windsheim e.V. ist „Digitale Barrierefreiheit“ ein großes Thema. So fand bereits zum 2. Mal ein inklusiver Weiterbildungskurs „Internet für alle“ statt.

Hier treffen sich Menschen mit und ohne Behinderung um fit im Umgang mit digitalen Medien zu werden. Geleitet wird der Kurs von den IT-Experten Agatha Ludwig und Julian Saalfrank. Im Rahmen des Kurses tauchen immer wieder Barrieren auf, die Frau Ludwig für uns zusammengefasst hat: 

Für die Nutzung von Kommunikationsplattformen (Email, Facebook, Instagram etc.) bedarf es eines persönlichen Accounts. Hierfür braucht es immer zuallererst eine E-Mail-Adresse zzgl. Passwort mit denen man sich anmeldet. Schon hier bauen sich die ersten Hürden auf. Ich erkläre das mal an einem Beispiel:

Die Entscheidung fällt für Gmail, wo sich eine Person ein E-Mail-Konto anlegen will. Nein, das Konto hat nichts mit Geld zu tun. Es ist das persönliche Postfach bzw. der eigene Briefkasten.

Alleine der Begriff Konto verwirrt hier zutiefst, denn wir lernen von klein auf, dass wir auf unserem Konto bei der Bank Geld liegen haben. Hier aber hat es damit überhaupt nichts zu tun.

Es gilt sich jetzt zu registrieren - nein nicht anmelden. Was ist der Unterschied? Registrieren bei Erstnutzung, danach immer anmelden. Das leuchtet ein. So im nächsten Schritt muss sich entschieden werden, wie die Mailadresse denn lauten soll. Zum Glück gibt einem das System Vorschläge, aber meist sind die abwegig. Man entscheidet sich für etwas Eingängiges möglichst einfach gehalten. Im besten Fall Vor- und Zuname.

Nun folgt das größte Hindernis: das Passwort. Es muss mindestens 8 Zeichen haben, mit Groß- und Kleinbuchstaben, Zahl und Sonderzeichen. Was um Himmelswillen sind Sonderzeichen. Das Passwort hat es in sich! Niemals darf es falsch geschrieben werden. Jedes Zeichen muss richtig sein. Schon Groß- und Kleinschreibung machen das zu einer riesen Herausforderung. Die Rettung naht, zum Glück kann man die Anmeldedaten auf den eigenen Geräten speichern, um die Hürde des Einloggens dann einfach zu umgehen. Allgemeines Aufatmen!

Denkste - es poppt eine Sicherheitsabfrage auf. "Bitte verifizieren Sie Ihr Nutzerkonto per Handynummer." Was? Wieso denn jetzt Handy? Es dauert bis erklärt ist warum solche Sicherheitsabfragen nötig sind. Während das Gmailkonto fast angelegt ist macht sich ein kleines Fenster auf. "Update erforderlich" erscheint auf dem Bildschirm. Annehmen oder ablehnen? Ups- leider schon auf annehmen gedrückt. Nun muss leider 5 Minuten ein Update ausgesessen werden. Große Ratlosigkeit warum das Ipad scheinbar nicht reagiert.

Das Update ist fertig - wo waren wir stehengeblieben? Ach ja, Kontoeinstellungen bearbeiten. Fünf Einstellungen werden abgefragt, Optionen zur Sicherheit. Werbung, Apps, Datenschutz, Standort, Profil.... Was haben die gewählten Optionen für Folgen? Weiß das eigentlich jemand? Allein die Begrifflichkeiten sind eine eigene Fremdsprache.

Das Konto ist angelegt und nun wird die erste Mail geschrieben. Ein Spaß ist das, wenn man weiß in welches Fenster geschrieben werden muss und wie die Tastatur zu bedienen ist. Alleine die Intensität des Drucks des Zeigefingers auf dem Bildschirm eines Ipads führt oft zu unerwarteten Folgen. Plötzlich verschwindet der ganze Text - die Handfläche hat beim Tippen das Mailfenster geschlossen. Oder man kommt ums Verrecken nicht an die richtige Stelle um den Schreibfehler zu korrigieren. Frust pur!

Bis zu dieser Stelle wurde bisher "nur" ein Mailkonto angelegt. Wir erinnern uns - es braucht im Netz für fast alles eine E-Mail-Adresse.

Nutzt ein Mensch mit Behinderung diese jetzt zu Registrierung bei Facebook wird es richtig anspruchsvoll. Es wird dafür die Mail-Adresse gebraucht. Welche war das nochmal? Schnell auf den Zettel gespickt- ach ja, die mit dem @-Zeichen. Danach Passwort wählen. Wieder ein Neues? Besser nicht. So nun fragt Facebook nach einem Sicherheitscode, der an Gmail geschickt wurde. Was war nochmal Gmail? Ach ja - der Mailaccount also Facebook-Fenster zu, Gmailapp öffnen. Rums - ist jetzt alles weg? Und wie bekomme ich den Sicherheitscode aus der Email raus und bei Facebook rein? Und so weiter und so weiter....

Ich höre auf an dieser Stelle. Jeder Klick im Internet ist eine immense Herausforderung für einen Menschen mit Behinderung. Bereits das Passwort schließt die meisten an der Nutzung alltäglicher Kommunikationskanäle aus, denn es darf niemals falsch sein. Alleine ist "diese Welt" in ihrer Fülle nicht zu bewältigen.

Mit dem Kurs „Internet für Alle“ versucht die Lebenshilfe mehr Menschen die Teilhabe an der Digitalen Welt zu ermöglichen. Dauerhaft wäre es jedoch wichtig, dass Barrieren im Internet abgeschafft werden um einen Zugang zum Internet oder digitalen Anwendungen für alle Nutzerinnen und Nutzer möglich zu machen.